Ein wichtiger Ansatz, um Klima und Ökosysteme zu schützen und zu regenerieren, ist der Umbau des aktuell linearen Wirtschaftsmodells hin zu einer Circular Economy.

Sabine Nallinger
Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft
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STRABAG und Stiftung KlimaWirtschaft treiben Klimaziele voran

In Kooperation mit Unternehmen und Politik engagiert sich die Stiftung KlimaWirtschaft sich für die Einhaltung europäischer und deutscher Klimaziele.

Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung Klimawirtschaft erzählt im ausführlichen Interview, was die STRABAG als Bauunternehmen zu der perfekten Kooperationpartnerin für mehr Nachhaltigkeit in der Bauindustrie macht, was es braucht, um Klimaschutz aktiv voranzutreiben und welche Rahmenbedingungen die Stiftung KlimaWirtschaft von der Politik erwartet, um die europäischen und deutschen Klimaziele zu erreichen.

Was ist die Stiftung KlimaWirtschaft?

Sabine Nallinger: Die Stiftung KlimaWirtschaft wurde 2007 als Initiative von Vorstandsvorsitzenden, Geschäftsführern und Familienunternehmern unter dem Namen Stiftung 2° gegründet. 2021 erhielt sie ihren heutigen Namen - Stiftung KlimaWirtschaft. Gemeinnützig und parteiunabhängig arbeiten wir sektor- und branchenübergreifend. Ziel der Stiftung ist es, den Klimaschutz sowie die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen zu fördern. Dafür aktiviert die Stiftung die Verantwortungsbereitschaft, aber auch die Innovationskraft und Lösungskompetenz deutscher Unternehmen. Wir treten an die Politik heran, um konkrete Möglichkeiten für die Transformation zur Klimaneutralität aufzuzeigen. Auf diese Weise wird die Stiftung zur Brückenbauerin.

Wie schätzen Sie die Baubranche in Bezug auf nachhaltiges Wirtschaften ein?

Sabine Nallinger: Der Bausektor ist sehr ressourcenintensiv: in Europa werden 65 Prozent des Zements, 33 Prozent des Stahls, 25 Prozent des Aluminiums und 20 Prozent der Kunststoffe nur für den Bau von Gebäuden verbraucht. Zudem entfallen in Deutschland 55 Prozent des gesamten Abfallaufkommens auf die Baubranche – das entspricht einer Menge von 229 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfällen, die aktuell kaum recycelt oder hochwertig wiederverwendet werden. Ein wichtiger Ansatz, um Klima und Ökosysteme zu schützen und zu regenerieren, ist der Umbau des aktuell linearen Wirtschaftsmodells hin zu einer Circular Economy. Doch der Sektor ist noch weit davon entfernt – auch weil die öffentliche Hand solche Ansätze bei Ausschreibungen nicht belohnt und zu einseitig auf die Kosten als Vergabekriterium setzt. Dabei sind die Potenziale für Nachhaltigkeit riesig.

Die Baubranche befindet sich derzeit in einem Spannungsfeld: einerseits müssen Wohnungen und Infrastruktur gebaut werden, andererseits müssen wir die Klimaziele erreichen – und das in einem durch Inflation und Ukrainekrieg wirtschaftlich herausforderndem Umfeld. Wie kann dieses Spannungsfeld aufgelöst werden?

Sabine Nallinger: Momentan haben wir etwa 1.400 verschiedene Förderregime in Deutschland allein im Gebäudebereich. Hier versickert viel Geld ohne einen echten Mehrwert für den Klimaschutz. Wir brauchen eine neustrukturierte staatliche Förderung, die mit wenigen schlagkräftigen Förderregimen das in Ihrer Frage aufgezeigte Spannungsfeld klar adressiert. Fakt ist, dass wir viele neue Wohnungen und Infrastrukturprojekte umsetzen müssen, um Deutschland zukunftsfest zu machen. Aber das Marktumfeld hat sich dramatisch verschlechtert. Bis zu 20 Prozent gestiegene Baukosten und eine deutliche Steigerung der Finanzierungskosten führen dazu, dass viele wichtige Investitionsvorhaben auf die lange Bank geschoben werden. Bei den vielen Bau- und Infrastrukturprojekten sehen wir uns zudem mit einem Mangel an Fachkräften und Materialien konfrontiert. Es braucht eine klare Priorisierung des Ausbaus der Schiene. Sanierung und Erhalt der Straßeninfrastruktur müssen unter maximaler Erhöhung der gesetzlichen Recyclingquoten erfolgen. Das dramatisch verschlechterte Investitionsumfeld und die fehlenden staatlichen Planken führen dazu, dass obwohl ein nie da gewesener Transformationsdruck in dem Sektor vorherrscht, nicht ausreichend Investitionen in diesen getätigt werden. Diese abwartende Haltung müssen wir überwinden.

Wo sehen Sie die größten Hebel für die Baubranche?

Sabine Nallinger: Gebäude und besonders der Gebäudebestand in Deutschland sind für 35 Prozent des Energieverbrauchs und 30 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich (UBA). Wenn wir jetzt nicht die Transformation zur Klimaneutralität im Gebäudesektor beschleunigen, verfehlt Deutschland seine Klimaziele. Lange setzte die Politik bei den verfügbaren staatlichen Fördermitteln zudem eine Priorität auf Neubauten. Nun ist angekündigt, den Bestand und vor allem die energetisch schlechtesten Gebäude in den Fokus zu nehmen.

Das Europäische Parlament hat für „minimum performance standards“ gestimmt, möchte also vorschreiben, dass Wohngebäude bis 2030 mindestens die Energieeffizienzklasse E und bis 2033 die Energieeffizienzklasse D erreichen. Verschiedene progressive Stimmen aus der deutschen Wirtschaft unterstützen diese Forderungen – das deutsche Bauministerium sieht dieses scharfe ordnungsrechtliche Schwert allerdings sehr kritisch. Denn die Kosten für die Realisierung dieses Ziels schätzt die KfW alleine in Deutschland auf über 240 Milliarden Euro. Der neue Klima-Sozialfonds, der mit Einnahmen aus dem Emissionshandel für die Bereiche Straßenverkehr und Gebäude finanziert wird, soll einkommensschwachen Haushalten finanziell unter die Arme greifen. Aber mir ist noch völlig unklar, mit welchen schlagkräftigen Förderregimen diese gewaltigen Summen sozialverträglich gestützt werden sollen. Denn die Transformation scheitert ja nicht nur am Geld.

Welche Mittel genau für Sanierung des Bestandes verfügbar gemacht werden können, ist angesichts des Streits in der Ampelkoalition um den Haushalt mit großen Unsicherheiten behaftet und wirkt – neben dem bereits angesprochenen drastisch verschlechtertem Investitionsumfeld – als zusätzlicher Unsicherheitsfaktor in den Markt hinein. So werden wir das Dilemma klimafreundliches Wohnen zu sozialverträglichen Preisen anbieten zu können, nicht auflösen. Derzeit entwickeln wir in der Stiftung in unserem Roadmapprozess für den Gebäudesektor 2023 konkrete Vorschläge, wie wir es besser machen können.

Was können die Stiftung KlimaWirtschaft und STRABAG gemeinsam bewegen?

Sabine Nallinger: Die Stiftung KlimaWirtschaft und STRABAG eint das Ziel, unternehmerischen Klimaschutz nach vorne zu bringen und den ambitionierten Weg zur gesamtwirtschaftlichen Treibhausgasneutralität mit vielen guten Ideen und umsetzungsorientierten Vorschlägen zu unterstützen. Lange wurden von der Politik vor allem Ziele definiert, jetzt geht es um die Umsetzung und hier sehen wir noch viele regulatorische Hürden und falsch gesetzte Anreize. Ich denke dabei vor allem an die ungenutzten Potenziale staatlicher Ausschreibungen oder eine Fülle teils widersprüchlicher Finanzierungsinstrumente. Ein Unternehmen wie STRABAG, das so engagiert den Wandel in ihren Geschäftsfeldern vorantreibt und sich solch klare strategische Ziele gegeben hat, passt hervorragend in unseren Förderkreis. Unsere Stärke als CEO-Initiative ist es, mit engagierten Unternehmer:innen und einem sektorübergreifenden Blick in den Dialog mit der Politik zu treten und dort für einen regulatorischen Rahmen zu werben, der die Unternehmen bei der Transition unterstützt und Klimaschutz als Geschäftsmodell ermöglicht.

Bitte vervollständigen Sie abschließend diesen Satz: In fünf Jahren haben wir gemeinsam…?

Sabine Nallinger: …frischen Wind in die politische Diskussion um klimafreundlichere Infrastrukturprojekte und zirkuläres Wirtschaften gebracht und unsere Ideen wirksam auf EU- und nationaler Ebene adressiert.

Vielen Dank für das Gespräch!

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